2009: eine erlebnisreiche Reise nach St. Petersburg

Sonntag, der 1. Tag: Traumreise nach St. Petersburg

Am 11. Oktober trafen wir uns alle am Flughafen in Hannover, um mit Pulkovo-Airlines unsere Reise nach St.Petersburg anzutreten.

Ich kam auch rechtzeitig aus Hamburg mit den Pässen und den Visa am Flughafen an. Das Einchecken war ganz unproblematisch. Alles ging schnell und reibungslos. Auch der Flug war ausgesprochen angenehm.

In St. Petersburg angekommen, warteten wir zunächst vergeblich auf den bestellten Bus, der uns in das 5-Sterne Hotel ganz in der Nähe des Nevskij Prospekt bringen sollte. Alle Anrufe nach dem Bus waren vergeblich und wir, das waren Martin, Heinrich und ich zweifelten an den uns mitgegebenen Telefonnummern bzw. an der Vorwahl.

Dann sprachen wir eine Dame des Deutsch-Russischen Begegnungszentrums an, die auf Fluggäste wartete. In Kürze waren mit ihrer Hilfe alle Sorgen beseitigt und der Bus fuhr an dem Flughafengebäude vor.

Auf der Fahrt ins Hotel bekam die Gruppe schon einmal einen Eindruck von den Dimensionen der Stadt und den „Neuen" in der Wirtschaft: Metro, Audi, Obi und die anderen, alle mit riesigen Verkaufshallen.

Plötzlich wurde unser Bus von der Polizei (Miliz) gestoppt und keiner wusste, warum. Der Fahrer nahm seine Papiere und wurde aufgefordert, mit ins Polizeigebäude zu kommen. Nach ein paar Minuten kam er lächelnd zurück und es ging weiter, ohne dass wir schlauer waren als vorher.

Bei dichtem Verkehr erreichten wir unser Hotel. Es machte einen ausgezeichneten Eindruck und die kleinen Unannehmlichkeiten bei der Ankunft waren vergessen.

Zum Abend gingen wir alle bei nasskaltem Wetter zum Abendessen in ein typisch russisches Restaurant aus der Sowjetzeit, „U Tjeshchni na Blinah" (Bei der Schwiegermutter mit den Pfannkuchen), das schon von Hamburg aus telefonisch für uns reserviert worden war. Keine Speisekarte, nur Selbstbedienung. Freundliche junge Russinnen stellten uns aufs Tablett, worauf wir mit den Fingern zeigten. Alles nicht teuer, auch das Bier nicht. Kaum vorstellbar, aber Wodka gab es in diesem Restaurant nicht.

Doch die gute Stimmung war plötzlich dahin, als Brigitte bemerkte, dass man ihr auf der Straße das Portemonnaie aus der Handtasche gestohlen hatte. Die ersten Schritte auf der Prachtstraße St. Petersburgs und schon war es passiert, was, zugegebenermaßen in jeder europäischen Metropole eine negative Begleiterscheinung des heutigen Tourismus ist.

Aber auch dieses Missgeschick wurde noch in dem „bei der Schwiegermutter mit den Pfannkuchen"-Restaurant überwunden und so machten wir uns wieder mit besserer Stimmung auf den Rückweg ins Hotel, beeindruckt von dem Glanz des Nevskij Prospekt und den vielen Menschen zu so später Stunde. Einzelne Geschäfte hatten 24 Stunden geöffnet und eine Wechselstube tauschte Uwe, unserem Zahlmeister und Buchhalter, übrigens heißt Letzterer genauso im Russischen, streng bewacht und jeden Euroschein genauestens prüfend, unsere ersten Euros zum Kurs von 1 Euro = 43,30 Rubel um. Wir waren für den nächsten Tag gerüstet.

Bernd

 

 

Der 2. Tag: Montag, 12.10. Nach Puschkin und ein großartiges Ballet im Marinsky Theater

Noch unter dem Schock von gestern (Portemonnaie-Raub auf offener Straße) der Versuch, den heutigen Tag zu genießen und zu kommentieren.:

7.30 Uhr: Ein frühes Frühstück; üppig, vielseitig und gut.

9.00 Uhr: Start mit Kleinbus und Oksana nach Puschkin, 28 km von Petersburg entfernt.

10.00 Uhr : Ankunft bei Schneetreiben. Prächtigste Bauten im „Zarendorf". 300 m Sommerpalast der Zaren. Gigantisch! Ca. 3 Stunden Führung durch glanzvolle Säle, Gemächer und Treppenhäuser.

13.00 Uhr: Essen: 4 Gänge, sehr gut und schmackhaft. Angenehme Atmosphäre , aufmerksame Bedienung in landestypischem Restaurant.

14.30 Uhr: Alexanderpalast: sehr viel „einfacher", aber somit auch wohnlicher und gemütlicher.
Anschließend Gang durch den verschneiten Park bei eisiger Kälte!

15.30 Uhr: Abfahrt aus Puschkin; Oxana verlässt uns am Stadtrand begleitet von Gesang aus 16 dankbaren Kehlen.

16.30 Uhr: Ankunft im warmen Hotel für eine kurze Ruhepause. Rein in die elegante, aber dünne Theatergarderobe und ab ins Marjinski-Theater zum Ballett.
Eindrucksvolles Theater; total ausverkauft; sehr gute Plätze!
Das vielversprechende Programm des Michel Fokine Balletts:

1. Chopin: Klassischer Walzer und Polonnaise
2. Strawinski: Feuervogel
3. Rimsky-Korsakow: Schéhérezade

Alle 3 Stücke großartig! Bravo-Rufe. Ein tolles Erlebnis!

22.45 Uhr: Halb erfroren noch einen Absacker (Bier) im Hotel.

Brigitte

 

Der 3. Tag Dienstag, 13. Oktober 2009: Zu Fuß zur Peter-Paul-Festung und abends ein musikalischer Leckerbissen in der St. Petersburger Philharmonie

Nach dem Frühstück marschierten wir vom Hotel zu Fuß zur „Hasenbrücke" (alte Holzbrücke zur Peter und Paul`s Festung), vorbei an dem Universitätsgebäude, der Ewigen Flamme eines Ehrenmals für die gefallenen Soldaten und über die Newabrücke Troitskly Most zum vereinbarten Treffpunkt. Ein Schwimmer zog bei ca. 3 Grad C und eisigem Wind seine Bahnen - im Sommer ist der Badestrand vor der Festung ein beliebtes Ziel der Petersburger.

Wir trafen unsere Führerin Irina, die vorzüglich deutsch sprach und uns für den ganzen Tag begleitete.

Die Festung betraten wir durch das in die östlichen Vorbefestigungen integrierte Johannestor und das Peterstor über dessen Durchfahrtsbogen der doppelköpfige russische Adler prunkt. Das Relief darüber stammt von Konrad Osner und zeigt den „Erdsturz des Simon durch den Apostel Petrus". Nun gelangten wir in den eigentlichen Festungsbereich.

Mit dem ersten Spatenstich zum Bau der Peter-Paul-Festung im Mai 1703 beginnt die Stadtgeschichte. Zunächst wurden Erdwälle angelegt und Holzbauten errichtet. Doch schon 1706 entstand nach Plänen von dem Schweizer Domenico Trezzini die Steinummauerung in Form eines unregelmäßigen Sechsecks. 1712-1733 entstand die Kathedrale, die übrigen Bauten kamen im Laufe des 18. und 19. Jh. dazu.

Das als Befestigungsanlage konzipierte Bauwerk mußte seiner eigentlichen Funktion nie gerecht werden. Seit 1717 nutzte man einen Teil des Komplexes als Gefängnis. Der Sohn Peters d. Gr. war der erste einer langen Reihe prominenter politischer Gefangener. Jeden Tag um 12.00 Uhr wird von der Naryschkin Bastion ein Kanonenschuß (Leerschuß) abgegeben. Eine Gewohnheit, der man schon seit dem 18 Jh. nachkommt. Jeder Einwohner Petersburg sollte auf diese Weise die genaue Uhrzeit erfahren.

Vor der einstigen Hauptwache befindet sich das Denkmal Peter d. Gr. von Michail Schemjakin, das seit seiner Aufstellung 1972 bis heute heftig umstritten ist. Es zeigt den Herrscher lebensgroß auf einem Stuhl sitzend mit einem zu kleinen kahlen Kopf und unwirklich langen verkrampften Fingern.

Dann gingen wir durch das Newator und schauten auf das gegenüberliegende Ufer mit den Palästen und Kathedralen. An der Innenwand des Tores sind die Hoch-wasserstände der Newa markiert. Noch heute kann man die Festung über den Wasserweg durch dieses Tor erreichen.

Die Peter-Paul-Kathedrale mit ihrer schlanken, vergoldeten Turmspitze (122,5 m) galt lange Zeit als Wahrzeichen der Stadt. Sie diente als Begräbniskirche der Zaren - hier ruhen in aus vorwiegend weißem Marmor gefertigten Sarkophagen die Zaren von Peter d. Gr. (1725) bis Alexander III. (1894). In der später angebauten Grabkapelle fanden Mitglieder der erschossenen Zarenfamilie ihre letzte Ruhe.

Beim Verlassen der Kathedrale baten uns 4 Mönche in einen Nebenraum und sangen ein sehr schönes Kirchenlied für uns.

Anschließend gingen wir zu Fuß an der Newa entlang und suchten ein Restaurant zum Mittagessen. Nach einigen Versuchen kehrten wir ein im Restaurant „Baron" (Bär), wo wir es uns gut gehen ließen.

Dann stand der Programmpunkt „Isaak-Kathedrale" an. Leider war das Bauwerk, wie es hieß „aus technischen Gründen", geschlossen. Die aufkommende Enttäuschung wurde durch eine Quizzfrage über das Gewicht und die Beschaffenheit der im Portal stehenden Säulen überbrückt und durch das Wälzen der Reiseführer zur Beantwortung dieser Frage wettgemacht.

So wurde die nächste Kirche angesteuert. Nachdem die Auferstehungskirche ebenfalls geschlossen war, führte uns Irina in den Kirchentrakt des Marstalls, der über der Einfahrt zum Marstall in der ersten Etage liegt.

In dieser Kirche fand am 1. Februar 1837 die Trauermesse für Alexander S. Puschkin statt, der nach einem Duell verstorben war.

Hier verabschiedete sich Irina von uns und wir schlenderten zurück zum Hotel. Auf halbem Weg erreichten wir das Cafe Singer (Nähmaschinen) , wo wir uns mit „steifer" heißer Schokolade und Kuchen erfrischten. Das Cafe liegt im 1. Stock eines Gebäudes mit Jugendstilfassade und man hat einen schönen Blick auf die Kasaner Kathedrale, für deren Bau die Peterskirche in Rom als Vorbild diente.

Um 18.00 Uhr erreichten wir unser Hotel, wo unser Reiseleiter Bernd eine unverhoffte Überraschung für uns bereit hielt. Der vorgesehene Programmpunkt „18.00 Uhr Abendessen - Freie Zeit" mußte gestrichen werden, denn Bernd hatte Konzertkarten für einen Gesangsabend in der Philharmonie besorgt.
Beginn: 19.00 Uhr !!!

Erstaunlicherweise nahmen alle Beteiligten pünktlich (Umziehen, Taxifahrt zur Philharmonie in der „rush-hour") ihre Plätze ein.

Es sangen einige der besten jungen Stimmen Rußlands im Rahmen des internationalen Festivals zu Ehren Sergei Diaghilev`s Arien von Borodin, Rimsky-Korsakov, Tchaikovsky und es spielte das „State Academic Symphony Orchestra of St. Petersburg" unter der Leitung von Mikhail Tatarmikov.

Anschließend "landeten" wir im japanischen Restaurant in der Nähe des Hotels, um endlich etwas zu essen und gemütlich beieinander zu sitzen. Das Personal schob uns die Tische zusammen, der Wodka wärmte uns langsam wieder auf. Wir hatten viel Spaß und ein anstrengender aber schöner Tag ging zu Ende.

Inge Schäfer

 

Der 4. Tag: Mittwoch 14. Oktober: Mit dem Bus unterwegs

Ca. 9.00 Uhr Abfahrt bei Regen mit dem Bus: Große Stadtrundfahrt mit Irina. Zuerst zum Platz des Aufstandes mit dem weithin sichtbaren Obelisk, der zur Erinnerung an die Helden der Blockade 1985 errichtet wurde. Am Rande des Platzes der Moskauer Bahnhof.

Wir fahren den Newski-Prospekt entlang, die schönste und wichtigste Straße St. Petersburgs, gesäumt von Palästen, Theatern, Kinos, Geschäften und prachtvollen Bürgerhäusern. Irina erzählt uns die Entstehungsgeschichte der Stadt mit den vielen Namen.

Auf dem Ostrowkij-Platz erläutert uns Irina an der Katharinensäule das Leben Katharinas, der Großen. Der Platz ist umgeben vom Aleksandrinskij-Theater, der Russischen Nationalbibliothek (34 Mio. Bücher und Privat-Bibliothek von Voltaire) und dem Anitschkow-Palast, neben dem 1715 die erste Brücke - die Anitschkow-Brücke - über die Fontanka erbaut wurde. Zu einer der schönsten Brücken der Stadt wird sie durch die auf ihr paarweise aufgestellten Bronzefiguren der Pferdebändiger.

Wie der Prachtsaal eines Palastes die Rossi-Straße, (Architekt Carlo Rossi, 1775-1849), 220m lang, 22 m breit, alle angrenzenden Gebäude 22 m hoch, mit riesigen Fenstern.

Rossi gestaltete auch den Lomonossow-Platz und die Granit-Ufer des Fontanka-Flusses

Wir queren den Moskau-Prospekt, mit 10,8 km die längste Straße der Stadt, steigen zum Fotoshooting am 7-Brücken-Blick aus und fahren weiter zur Nikolaus-Kathedrale, der einzigen Kirche in der Stadt, die auch während der Sowjetzeit als Gotteshaus genutzt wurde, eine zweigeschossige, prächtige, türkis-gold-weiß gestaltete Kathedrale im Stil des russischen Barocks mit 5 goldenen Kuppeln. Unter- und Oberkirche sind prachtvoll ausgestattet, besonders die Oberkirche als Festtagskirche ist reichlich mit vergoldetem Stuck verziert und mit weltberühmten Ikonen. Wir nehmen für kurze Zeit an einem Festgottesdienst teil.

Weiter geht es mit dem Bus am Umleitungskanal entlang, vorbei an Industrie- und Raumfahrtbetrieben zum Narwa-Triumphbogen, errichtet nach dem Sieg über Napoleon. Natürlich fällt der Vergleich der Petersburger Quadriga - immerhin 6 Pferde - mit der Braunschweiger zu unseren Gunsten aus.

Hier geht es ca. 70 m hinab in die Narwskaja-Metrostation, 1955 wie ein Tempel errichtet mit Marmor, Skulpturenreliefs (mit sowjetischen Emblemen), Granitboden, Lichtdecken usw. Wir fahren eine Station mit der Metro bis Kirowskij sawod. Auch hier prächtigste Ausstattung. In den Säulen sind Metalltafeln mit Darstellungen der Schwerindustrie integriert. Die nächste Station Awtowo ist wohl die schönste der Stadt mit 16 Säulen, die mit farbigen Kristallglaskacheln bedeckt sind. Mit der Metro fahren wir wieder zur Narwkaja zurück.

Während wir mit dem Bus im Stau nur langsam zum Isaaksplatz vorankommen, erzählt uns Irina über die Geschichte, Wirtschaft und Architektur St. Petersburgs. Der Isaaksplatz beeindruckt durch seine Größe und das architektonische Ensemble, das ihn umschließt. Wir bewundern das (auch statisch interessante) Reiterdenkmal Nikolaus I. in der Mitte des Platzes und bedauern, dass die Isaak-Kathedrale geschlossen ist.

Wir fahren den Newski-Prospekt in Richtung Platz des Aufstandes, Vorbei geht es am Stroganow-Palast, den ehemaligen holländisch-reformierten und deutsch-lutherischen Kirchen, (beides heute keine Gotteshäuser mehr), dem Kaufmannshof, dem Café Singer, gegenüber der Kasaner Platz mit im weiten Halbkreis angeordneten vier Reihen Kolonnaden und der darüber hinaus ragenden Kasaner Kathedrale.

Wir essen zu Mittag in einem edlen Restaurant auf dem Newskij-Prospekt, mit einem angeschlossenen Trüffelcafé, von dem Martin ganz begeistert ist. Bei der anschließenden Weiterfahrt stellen wir erst an der Admiralität fest, dass zwei von uns fehlen, nämlich Piroska und Stefan. Irina weigert sich umzukehren, und wir beruhigen unser schlechtes Gewissen mit der Tatsache, dass für die beiden unser Hotel nicht weit vom Restaurant liegt und gut zu finden ist. Später stellt sich heraus, dass es Verzögerungen beim Bezahlen der Rechnung gab, und der Bus wohl sehr schnell abgefahren ist.

Es geht also weiter mit der Stadtführung per Bus, mit einigen Unterbrechungen zu Fuß und zu folgenden Sehenswürdigkeiten der Stadt:

Das Gebäude der Admiralität mit der als Wahrzeichen der Stadt weithin sichtbaren goldenen Turmspitze ist ein architektonisches Meisterwerk, einst gebaut unter Zar Peter dem Großen als erste Werft der Stadt. Heute befinden sich hier u.a. das Marineministerium und eine Marineoffiziersschule. Ihre Kadetten haben wir überall in der Stadt gesehen.

Gleich neben der Admiralität kommen wir auf den Dekabristenplatz mit dem Denkmal Peter I., von Puschkin „Eherner Reiter" genannt, eine meisterhafte Reiterstatue auf einem monolithischen Felssockel, errichtet im Auftrag Katharinas II.

Wir spazieren auf dem Schlosskai ein wenig an der Newa entlang, fahren dann aber über die Newa auf die Wassilij-Insel. Am Universitätskai reihen sich berühmte und prächtige Bauten aneinander, die Akademie der Künste, daneben der Menschikow-Palast, erbaut für Alexander Menschikow (1673-1729), dem ersten General-Gouverneur der Stadt und Günstling Peters I., die Universität, die Akademie der Wissenschaft und die Kunstkammer. Hier befindet sich auch eine Gedenkstätte für Michail Lomonossow, dem russischen Universalgenie (1711-1765).

Wir kommen zur Börse und steigen trotz des grauenhaften Wetters an der halbrund in die Newa gebauten granitenen Strelka-Terrasse aus. Die zwei roten Rostrasäulen auf der Strelka

dienten früher als Leuchttürme. Irina erklärt uns die Bedeutung der grünen „Schnäbel" an den Säulen (es sind abgeschnittene Schiffsbuge als Trophäen von eroberten Schiffen), außerdem erzählt sie uns von Überschwemmungen, zugefrorener Newa, den 26 Zugbrücken in der Stadt, von denen heute noch die ersten 8 der Newa nachts hochgezogen werden.

Auf der Rückfahrt gibt es noch einen letzten Halt auf dem riesigen Schlossplatz, konzipiert von Rossi. In der Mitte wurde 1832 nach dem Sieg über Napoleon die Alexandersäule zu Ehren Alexander I. errichtet. Die 7000 t schwere Säule gilt als größtes Denkmal der Welt, das ohne jede Verankerung nur durch sein Eigengewicht steht. Auf diesem grandiosen Platz finden alle großen Veranstaltungen und Paraden statt.

Etwas ermattet vom vielen Sehen und Hören fahren wir wieder auf dem Newskij-Prospekt zum Hotel. Dort treffen wir zu unserer Erleichterung auf die zwei Vermissten, und es gibt Dispute, wie wir das Problem hätten besser lösen können.

Nach einer kleinen Ruhepause gehen wir am Abend in ein russisches Lokal, Bernd serviert die Vorspeisen, als Hauptgericht essen die meisten Boeuf Stroganoff. Irgendwann am Abend ist das Bierfass leer, es gibt nur noch dunkles Bier, aber der Wodka fließt und die Stimmung ist entsprechend ausgelassen. Toller Abschluss eines doch anstrengenden Tages!

Maik

Der 5. Tag: Donnerstag, den 15.Oktober: Kultur-Pur in der Eremitage

Heute steht ein absolutes Highlight auf dem Programm: die E r e m i t a g e

Um 10 Uhr treffen wir uns und fahren mit dem Linienbus zum Schlossplatz.

Durch seine riesigen Ausmaße und durch die ihn umgebenden Gebäude der Eremitage, des Generalstabsgebäudes und der Admiralität ist er einer der großartigsten Plätze der Welt. In der Mitte erhebt sich die 47m hohe Alexandersäule, die zum Gedenken an den Sieg über Napoleon errichtet wurde.

Es regnet ausnahmsweise einmal nicht , dafür weht ein eisiger Wind.

Wir treffen unsere Stadtführerin Irina und beginnen unseren Besuch im Museum.

Das von Rastelli im russischen Barock erbaute Winterpalais demonstriert den Reichtum des zaristischen Russland.Die Eremitage ist das zweitgrößte Museum der Welt. 3 Millionen Exponate, davon 15 000 Gemälde ziehen jährlich 2,5 Millionen Gäste an, die die einzigartigen Kunstwerke bestaunen. Es war Katharina die Große , die um 1770 einige der besten Kunstsammlungen Westeuropas erwarb.

Irina versucht zunächst, uns an wenigen ausgewählten Exponaten die ägyptische Abteilung (Statuen, Stelen, Särge, Mumien) , die römische Abteilung (Büsten, Plastiken, eine riesige Jupiter Skulptur ) und die griechische Abteilung mit Statuen, antiken Plastiken, Skulpturen, Vasen , Taurische Venus ) näherzubringen.

Durch einen Saal mit Rüstungen gelangen wir zur Flämischen Malerei ( 26 Bilder von van Dyck, 41 von Rubens ).

Die französische Kunst ist zunächst mit Gobelins, Möbeln und Emaille aus Limoges vertreten. Von den Impressionisten beeindrucken Monet (Dame im Garten, Garten in Montgeron ), Renoir ( Schauspielerin Jeanne Samary), Pisarro (Montmartre ), Degas, Cezanne ( Mann mit Pfeife), van Gogh ( Fliederbusch, 2 Damen in Arles), Gauguin ( Frau mit Frucht ).

Neue Richtungen der französischen Kunst zu Beginn des 20.Jahrhunderts sind verbunden mit den beiden großen Meistern Pablo Picasso ( 31 Gemälde) und Henri Martisse. Mit 37 Bildern ist dieses die größte Matisse- Sammlung außerhalb Frankreichs ( Das rote Zimmer, Der Tanz, Musik ). In der Bildhauerei beeindruckt besonders Auguste Rodins Werk „ Der ewige Frühling".

Irina greift in jedem Saal exemplarisch einige Gemälde heraus und gibt gute Erläuterungen dazu.

Beeindruckend sind all die prächtigen , prunkvollen Säle, durch die wir gehen ( Stuckdecken, Möbel, Gobelins, riesige Kronleuchter, Säulen, Mosaikfußböden ). Diese Prunksäle sollten Macht und Reichtum Russlands symbolisieren. Um nur einige von ihnen zu nennen: Pavillonsaal mit der Pfauenuhr, Malachitzimmer (aus 2 Tonnen Stein) , Wappensaal mit vergoldeten Säulen, die Rotunde, Großer Thronsaal, Goldenes Gastzimmer, Georgssaal, Weißer Saal, Raffael Loggien und last but not least die große Ehrentreppe.

Es sind überwältigende Eindrücke, die man kaum auf einmal aufnehmen kann. Man steht stumm und sprachlos vor so viel Pracht.

In einem riesigen Saal mit Stuckdecken und Tischen aus Lapislazuli und Malachit bewundern wir Werke von Tizian und Tiepolo. 2 besonders beeindruckende kleinere Gemälde sind die Madonnen von Raffael (Madonna mit Kind) und Leonardo da Vinci (Madonna Litti). Michelangelos Hockender Knabe ist wunderschön.

Im spanischen Saal sehen wir uns Murillo und Goya an.

Von Rembrandts 26 Gemälden beeindruckt besonders„ Die Heimkehr des verlorenen Sohnes"

Über 600 griechische Vasen sind eine einzigartige Sammlung. Faszinierend ist die 19 Tonnen schwere Kolywaner Vase aus graugrünem Jaspis (oval, 2,5 m hoch, 4,5m Durchmesser, 14 Jahre Herstellung).

Irina führt uns mit großer Begeisterung und Hingabe, um uns die schönsten und wichtigsten Werke zu zeigen.

Nach 4 Stunden genießen wir eine Pause im Museumsbistro mit Kaffee, Tee, Kuchen und einem Sandwich.

Da die Isaakskathedrale auch heute geschlossen ist, beenden wir die Gruppenaktivität und besichtigen individuell weiter .Einige kaufen im Museumsshop Kunstführer und Karten, andere sehen sich die versteckt platzierte Ausstellung der Beutekunst an.

Wilhelm und ich gehen noch einmal durch einige der Säle und genießen alles in Muße. Danach machen wir einen Stadtbummel. Auf dem Newskij Prospekt ( gegenüber von Cafe Singer ) besuchen wir die Kasaner Kathedrale. Zar Paul der Erste war in Rom so beeindruckt von der Peterskirche, dass er eine ähnliche in Petersburg haben wollte. 1932 richteten die sowjetischen Machthaber im Gotteshaus ein Museum für Atheismus ein. Seit 1992 werden hier wieder russisch-orthodoxe Gottesdienste gefeiert. Wir sind tief beeindruckt von der Frömmigkeit der Gläubigen, die - außerhalb eines Gottesdienstes- in einer langen Schlange anstehen, um vor der Ikone der Gottesmutter von Kasan zu beten. Sie küssen die Ikone, verneigen sich dreimal tief, bekreuzigen sich und sprechen ein Gebet. Eine beeindruckende Erfahrung.

Mit dem Bus Nr.1 fahren wir wieder zurück ins Hotel und machen es uns auf dem Zimmer gemütlich.

Dieser erlebnisreiche Tag klingt aus mit einem wunderbaren Abend in dem schönen Kellerlokal, in dem wir den ersten Abend verbrachten. Die freundliche Kellnerin hatte für uns in einem Extraraum gedeckt mit Bier, Sekt und Wodka zur Begrüßung.. Sie serviert geröstete Brotstäbchen mit geraspelten Käse und Blinis mit rotem Kaviar. Weil sie ihr Gesangsstudium gerade abgeschlossen hat, unterhält sie uns mit einigen Liedern. Wir verleben einige sehr schöne Stunden und haben viel Spaß .

Es wird beschlossen, dass es am 12.06.2010 bei Daggi ein Wiedersehen geben soll, wobei natürlich alle, aber insbesondere die Ältesten unter uns- nämlich der Jahrgang 1935 mit Piroschka, Heinrich, Stephan, Dieter, Klaus und Wilhelm eingeladen sind.

Ein wunderbarer Tag findet einen feuchtfröhlichen, harmonischen Abschluß.

Marlene Hörmann

Der 6. Tag: Freitag 16. Oktober 2009: Unserr Ausflug nach Nowgorod

Am Freitag, den 16. 10. stand unser Ausflug nach Nowgorod an. Ein Mercedes Kleinbus holt uns um 8 Uhr vom Hotel ab. Wir finden zwar alle einen Platz in dem Kleinbus, aber er macht seiner Kategorie auch alle Ehre: die engen Sitze und die geringen Abstände der Reihen lassen uns eng zusammenrücken. Wir starten noch im Dunkeln, es ist 4Grad warm und trocken. Das ist vorteilhaft, weil die Fenster nicht beschlagen und wir verfolgen können, was draußen an uns vorüberhuscht. Nach wenigen Minu­ten haben wir den Newski- Prospekt erreicht. Wir fahren die lange Prachtstraße entlang, die noch in voller Beleuchtung erstrahlt. Viele Menschen sind auf dem Weg zur Arbeit.

Wir verlassen St. Petersburg in Richtung Süden und erreichen die autobahnähnliche Straße nach Moskau. Das Tageslicht setzt sich mehr und mehr durch; um 9 Uhr ist es hell. Aber je weiter wir uns von der Stadt entfernen, je eintöniger wird die Landschaft. Nichts als Birken, Fichten, vereinzelt schäbige Holzhäuser, die in sumpfigem Boden stehen. Schließlich nimmt Nebel die Sicht und wir beginnen, aus Mangel an Realitäten, unsere Fantasie spielen zu lassen. So fühlt sich Klaus an Jagden in Finnland erinnert. Ihn würde es nicht wundern, wenn aus diesem Gehölz seitlich der Straße Elche hervorbrächen. Auch Fasanen und Rebhühner könnte er vor die Flinte kriegen. Aber wir dürften nicht glauben, Gezwitscher von Singvögeln vernehmen zu können. Die finden in so einem sumpfigen Wald keine Behausung. Betreffs der jagdbaren Vögel fragt Martin nach Schnepfen, ob es die in dem Wald gäbe. Und übrigens, warum dieser Vogel für die Charakterisierung manch weiblichen Wesens herhalten muss. Klaus kann sich einen Vergleich nur über einen langen Schnabel erklären.

Auch die armseligen Holzhäuser, die neben der Straße in umzäunten Grundstücken im Sumpf stehen, regen zu Erörterungen an. Sie sind offensichtlich bewohnt, aber nirgendwo sehen wir ein Fahrzeug. Wie kommen die Menschen hin und wieder aus dieser Einöde heraus? Wir bedenken auch die sanitären Anlagen. Wo sind die Toilettenhäuschen? Im Sumpf, im Wald?. Aber wie war es bei uns nach dem Krieg? Es kommt das Toilettenpapier zur Sprache, das aus Zeitungspapier zurechtgeschnitten wurde. Mit der Bemerkung, dass Martins Mutter ein altes Haus „Schabracke" genannt habe, wird die Unterhaltung wieder versachlicht. Wir diskutieren die Wortbe­deutung. Der Unsicherheit macht Uwe ein Ende. Ganz sicher handelt es sich dabei um eine Pferdedecke. So steht es in den Ritterbüchern seines vierjährigen Sohnes. Damit sind alle zufrieden, weil sie es auch nicht wider­legen können. Ich weiß nun auch, woher der Schabrackenschakal seinen Namen hat.

Nach all den Wortbeiträgen, und angeregt durch das Gefühl, fern der Heimat zu sein, singt Martin die erste Strophe der Oberschlesischen Nationalhymne und erzählt von Verwandten in Putbus, die ein Uhrenmuseum betrieben haben. (Vielleicht habe ich das aber falsch verstanden). Wie sich die Überleitung von den Verwandten zu dem 111-Gesangbuch ergeben hat, weiß ich nicht mehr. Martin ernennt jedenfalls einige Damen, die sich einen Titel aus dem 111er auswählen können, der dann von allen gesungen wird. Während Martin die Titel dem Alphabet nach vorliest, ergibt sich der Wunschtitel durch einen Stopp-Ruf. Folgende Titel wurden gewählt und gesungen und sprechen für die Gemütslage, in die uns die Umgebung versetzt hat: Auf, auf zum fröhlichen Jagen, Auf der Lüneburger Heide, Die Gedanken sind frei, Geh aus mein Herz.

Als wir um 11 Uhr in Nowgorod ankommen, scheint die Sonne. Eine kurze Rast an einer Tankstelle mit erstaun­lich guten Toilettenanlagen lässt uns die Holzhäuser entlang der Straße vergessen.

3 Stunden Fahrt lagen hinter uns, als wir gegen 11 Uhr auf einem Parkplatz in der Innenstadt von der Stadtführerin Martina begrüßt wurden. Unser erster Besichtigungsort war das Jurjew-Kloster, außerhalb der Stadt. Wir sahen es von Weitem auf einem Hügel oberhalb des Ilmensees liegen. Eine weiße Mauer umfasst das Areal , in dessen Mitte sich die Georgs-Kathedrale erhebt. Sie trägt ihren Namen nach dem Gründer des Klosters, nach Fürst Jaroslaw der Weise. Er nannte sich nach seiner Taufe Georg. (1030 Gründung)

Wegen Zerstörungen in vergangenen Jahrhunderten, stammt sein heutiges Erscheinungsbild aus dem 19. Jh. Damals war es der Gräfin Orloff zu verdanken, dass sie große Summen Geld für die Wiederherstellung stiftete. So konnten das Abtgebäude, der Glockenturm, der Brunnen, ein Krankenhaus und die Kreuz-Errichtungs-Kathedrale wieder hergestellt werden. Die Georg- Kathedrale war damals mit aller mittelalterlichen Pracht hergerichtet worden. 1929/30 allerdings schaffte man das Inventar fort; die Kathedrale wurde Museum, das Kloster löste man auf.

Während des Krieges nutzte spanisches Militär die Klosteranlage. Aber nach der Übernahme des Klosters 1990 und der Aktivierung durch das Nowgoroder Bistum, wird die Georg-Kathedrale restauriert. Martina führte uns ins Innere der Kirche, deren Wiederherstellung zwar noch längst nicht abgeschlossen ist, aber dennoch beeindruckt durch die Raumhöhe und das gedämpfte Licht, das durch eine zentrale Lichtkuppel und schmale Fensterschlitze eindringt. Wie Martina erzählte, erstrahlen die Wandmalereien, die zum Teil aus dem 12. Jh. , in der Hauptsache aber aus dem 19. Jh. stammen, in goldenem Licht, wenn Sonnenstrahlen durch die Fensterschlitze genau auf die Malereien treffen.

Weiteres Wissenswertes: Die Kathedrale gehört zum Weltkulturerbe, eine Priesterschule bildet zur Zeit 30 Priesterschüler aus, man unterscheidet zwischen „weißen" und „schwarzen" Geistlichen. Die weißen dürfen heiraten und außerhalb des Klosters leben, die schwarzen sind durch ein Gelübde gebunden.

Eine kurze Fahrstrecke vom Kloster entfernt befindet sich eine Attraktion für die Region: Das 1964 gegründete Freilichtmuseum für Holzbaukunst. In der waldreichen Umgebung war Holz das beste und billigste Baumaterial nicht nur für Wohnhäuser, sondern auch für Kirchen. Sogar Straßen wurden mit Holz befestigt. Bislang hat man 25 Denkmäler errichtet, will die Anzahl aber noch erhöhen. In zwei Block-Wohnhäusern konnten wir eine Ahnung bekommen, wie die Menschen in ihnen gelebt haben. Zwar fühlte man sich in den massiven Gebäuden geborgen vor den Unbilden der Natur, aber komfortabel war es nicht. Der Mensch hatte wenig Wohnraum, wichtiger waren Lagerräume und Stallung für das Vieh- alles unter einem Dach. Bei aller Kargheit der Ausstattung fiel die „Herrgottsecke" mit der Ikone und einem drapierten Handtuch darüber auf. Ein Handtuch war ein Kultgegenstand. Bestickt und aus gutem Leinen begleitete es jedes Mädchen bis ins Alter als Ehefrau und Mutter. „Handtücher" aus Holz geschnitzt, zierten auch das Äußere der Häuser ebenso wie Sonnenzeichen. Wir haben alles mit Interesse angesehen, auch wahrgenommen, dass man erst seit dem 19. Jh. in Betten schlief, und das „weiße Haus" einen wesentlich höheren Wohnkomfort bot als das Rauchhaus. Dies hatte keinen Schornstein, der Qualm verbreitete sich im Haus und legte sich als schwarze Schicht an den Wänden nieder.

Die 7 Kirchen stammen aus dem 16. Jh. Uns fielen die silbrig glänzenden Kuppeln und Dächer auf. Marina konnte es damit erklären, dass zur Dachabdeckung Espenholz verwendet wurde. In feuchtem Zustand ließ es sich zu Schindeln verarbeiten, die frisch goldfarben glänzen, später eine silbrige Färbung annehmen.

Beim Mittagessen in einem wohlig warmen Restaurant mag manch einer von uns darüber nachgedacht haben, wie es wäre in einem Rauchhaus oder einem weißem Haus der rauen Natur widerstehen zu müssen- oder vielleicht doch lieber in den gemütlichen Vier-Wänden zu Hause.

Bei der Rückfahrt in die Stadt hörten wir von Marina über die Jahre nach 1941. Deutsche und Spanier hatten die Stadt 29 Monate belagert. Danach gab es von ehemals 2500 Wohnhäusern noch 40. Nowgorod wurde ausersehen, als Museumsstadt wieder aufgebaut zu werden. Die Stadt zählt heute 270 000Einwohner, in der Region, 1944 gegründet, leben 665 000 Menschen.

Als nächstes besuchten wir den Jaroslaw-Hof auf der Handelsseite. Seit dem 9. Jh. entwickelte sich hier eine Siedlung von Händlern, gleichzeitig mit der Herausbildung des ersten russischen Staates, der Rus. Kiew war deren Hauptstadt, Nowgorod die zweitgrößte Stadt. Von hier aus gab es Kontakte bis nach Byzanz und über die Ostsee in die westlichen Länder und nach Skandinavien. Nowgorod wurde zur Drehscheibe des Handels zur Zeit der Hanse. Alle wichtigen Handelspartner richteten Niederlassungen ein, „Hof" genannt. Der deutsche Hof war der Peterhof. Die einzelnen Nationen errichteten auch ihre Kirche nicht nur für religiöse Nutzung, sondern die untere Etage diente häufig dem Handel: hier wurde die Waage aufgestellt und Maße und Gewichte festgelegt. Noch heute dominieren die sieben erhaltenen bzw. wieder aufgebauten Kirchen. Die Nikolauskathedrale allerdings war die Fürstenkirche Jaroslaw des Weisen, der ebenfalls auf dem rechten Wolchow Ufer (Handelsseite) seine Residenz errichtet hatte.

Ein freier Platz vor dem ehemaligen Kaufhof erklärte Marina als Versammlungsplatz der „Wetsche". So wurde die Volksversammlung der freien Stadt Nowgorod genannt, bevor sie 1478 an Moskau angeschlossen wurde. Die Wetsche regelte alle lebenswichtigen Fragen der Bürger und der Stadt.

Eine lange, leuchtend weiße Bogenreihe entlang des Wolchow-Ufers erinnert an die Handelsgewölbe aus der Hansezeit. Generell kamen aus dem Osten Massenware, während der Westen schon veredelte Produkte lieferte. Felle und Wachs waren die wichtigsten Waren, die den Weg von Ost nach West nahmen. Der Adel und die Kirche hatten großen Bedarf dafür.

Gegenüber der Handelsseite erhebt sich die Festung. Graben, Wall und rote Mauer mit Wehrtürmen umfassen den Kreml. Die Sophienkathedrale überragt mit ihren 6 Kuppeln und der vergoldeten Hauptkuppel das Areal. Wir benutzten die große Brücke, um zu Fuß von der Handelsseite zur Sophienseite zu gelangen. Doch zuvor verabschiedeten wir uns von einer hübschen, aus Bronze gegossenen „Studentin", die selbst an diesem winterlichen Tag lässig auf einem Mäuerchen saß. Ein ausgedientes Segelschiff liegt seit der wieder aufgelegten Hansetage 1994 in Stade am Ufer des Wolchow.

Die Sophienkathedrale mag ein Zeugnis dafür sein, dass der Ausspruch: "Wer gegen Nowgorod ist, ist gegen Gott" wahrhaftig ist, denn sie hat Jahrhunderte überdauert. Die Kathedrale stammt aus dem 10. Jh. und wurde erbaut, als die Nowgoroder die Taufe erhielten. Aber auch eine steinerne Taube auf dem Kreuz der Hauptkuppel beschützt die Kirche. Nach einer Legende wird Nowgorod so lange bestehen, wie die Taube oben sitzt. Fliegt der Vogel davon, geht auch die Stadt unter.

Da die Kirche seit 1991 wieder aktiv ist, konnten wir sie auch von Innen erleben, hatten sogar das Glück , einem Gottesdienst beizuwohnen und sahen die tiefe Gläubigkeit der Menschen bei der Verehrung der Hauptikone Mariä Erscheinung. Sie ist seit 1991 wieder an ihrem alten Platz vor der Ikonostase. Der Gesang des Chores, der Weihrauchduft, das milde Licht des großen Kronleuchters, (16. Jh. aus Nürnberg) der das Gold der Ikonen zum Funkeln brachte, nahm uns gefangen. Zum Inventar gehört auch der Gebetsstuhl von Iwan dem Schrecklichen. Eine weitere Kostbarkeit ist die bronzene Magdeburger Tür, (in Magdeburg im 12. Jh. gefertigt) durch die nur der Erzbischof die Kirche betreten darf. Neben Szenen aus dem Alten und Neuen Testament haben die Künstler auch sich selbst dargestellt.

Die heutige Stadt Nowgorod hat acht Kulturschichten unter sich. Deshalb gräbt man sogar in der Sophienkathedrale und ist schon fündig geworden. Neun Sarkophage und 49 Grabstätten von Herrschern und Metropoliten seit dem 11. Jh. konnten freigelegt werden.

Für die Glocken der Kathedrale baute man ein freistehendes Gebäude, die Glockenwand. Drei Glocken stehen heute zu ebener Erde. Wohl ihrer ursprünglichen Verwendung entsprechend, werden sie Sonntags-, Festtags- und Alltagsglocke genannt. Martina erzählte, dass sie während des Krieges per Kahn abtransportiert werden sollten, aber der Kahn sank. Die Glocken überlebten auf dem Grund des Wolchow Flusses.

Der Kreml war der Verwaltungs- und Regierungssitz Nowgorods mit Institutionen wie Fiskus, Polizei und Militärwache. Daher rühren noch eine Reihe von Gebäuden, so das Bischofspalais als ältestes Gebäude.

Ein monumentales Denkmal in Form einer Glocke schmückt seit 1862 den Kremlplatz. Derselbe Künstler schuf auch das Denkmal für Katharina die Große in St. Petersburg . Die Glocke kündet von der ruhmreichen 1000jährigen Geschichte Russlands, für die 129 Figuren als Lenker Zeugnis geben. Es sind sowohl Fürsten, Heilige, Krieger, Künstler und Gelehrte. Da die Gründung Nowgorods einem gewissen Rurik 862 zugeschrieben wird, ist er als Krieger mit einem Schild dargestellt. Als wichtige Ereignisse gelten die Übernahme des Orthodoxen Glaubens (Taufszene), die Abwehr der Mongolen, Iwan III. unterwirft andere Völker, die Romanows erlangen den Thron, Peter der Große richtet seinen Blick gen Norden; er wird St. Petersburg gründen. Zu Peters Füßen liegt ein unterworfener Schwede. Als Bekrönung hat der Künstler den Reichsapfel gewählt, mit einem Kreuz und einem Engel, vor dem Mütterchen Russland kniet.

Die Fotografen waren stark gefordert bei der zweistündigen Führung durch 14 Säle mit 269 Ikonen im Museum für Geschichte, Architektur und Kunst. Hier wird die gesamte Entwicklung der Nowgoroder Ikonenmalerei aufgezeichnet, worum sich auch Marina geduldig bemühte. Die ältesten Ikonen werden ins 11. Jh. datiert, die absolute Blütezeit erreichte die Kunst im 15. Jh. Die Nowgoroder Schule gilt als eigenständig, was mit der speziellen Entwicklung der Stadt zu begründen ist. Der Orthodoxe Glaube war sehr schnell im Volk verwurzelt, die Stadt war nicht von den Mongolen besetzt, sondern blieb frei , es entwickelte sich eine eigenständige kulturelle Tradition. Ihr werden volkstümliche Züge zugesprochen, die sich in Frische und Natürlichkeit ausdrücken.

Es folgt eine Aufzählung der Ikonen, die Marina exemplarisch vorgestellt hat: Peter und Paul, Heilige Nikolaus ( 1294 Signatur des Künstlers ist absolute Besonderheit) Gottesmutter Schutz und Schirm, Marienverkündigung, Boris und Gelb, Ikone aus 25 Bildern bestehend als „Bibel für die Ungebildeten", „Handtücher", 18 Ikonen auf Leinwand gemalt, Ikonen mit verschiedenen Gottesmutter Darstellungen. Ein Saal zeigt ausschließlich Ikonostasen.

Der erlebnisreiche Tag endete mit einem Abendessen in einem Hotelrestaurant. Gut gesättigt an Nahrung und Erlebnissen traten wir die Rückfahrt nach St. Petersburg an. Es war ein schöner Tag.

Ilse Geiler

 

Der 7 Tag: Sonnabend 17. Oktober 2009: Zur Isaaks-Kathedrale und ins Russische Museum - Abschiedsessen bei den Georgiern

Am Samstag, unserem freien Tag, wollten wir gemeinsam die Isaakskathedrale sehen. Inge war erkältet, und die Jugend hatte eigene Pläne.

Im strömenden Regen erreichten wir den drittgrößten sakralen Kuppelbau der Welt mit der ersten großen Kuppel in Metallbauweise weltweit.

Alexander I. wollte nach dem Sieg über Napoleon den Vorgängerbau umgestalten. Montferrand begann 1818 mit dem Umbau. 24.000 in den sumpfigen Boden gerammte Baumstämme dienen als Fundament. Sie tragen das Gewicht des Gebäudes von 300.000 Tonnen. Die klassizistische Fassade wird von 112 Granitsäulen gegliedert. 200 großformatige Gemälde und Mosaiken, zehn große Säulen aus Malachit und zwei aus Lapislazuli schmücken den inneren Kirchenraum. Die Marmorwände sind mit Edel-und Halbedelsteinen verziert. Ein weiterer Höhepunkt: 262 Stufen führen an der Außenseite zur gewaltigen Kuppel. Ein großartiger Blick über Petersburg war unsere Belohnung für den Aufstieg.

Es war Zeit, uns zu stärken. Im Singer-Haus machten wir Kaffeepause. Unsere Gruppe teilte sich auf. Einige wollten das riesige Kaufhaus aus dem 18. Jh. mit seiner arkadengeschmückten frühklassizistischen Fassade besichtigen.

Wir marschierten unter Bernds Führung im Regen ins Russische Museum, neben der Eremitage das bedeutendste Kunstmuseum in Petersburg, untergebracht im Michails Palais. Es ist ein großartiger Empire-Monumentalbau, 1819-1825 erbaut von Carlo Rossi für Großfürst Michail. Heute sind nur zwei Säle in alter Pracht erhalten. Die Gründung des Museums erfolgte 1845 durch Nikolaus I. Sammlungen kamen von Aristokraten, Intelligenz und Kaufmannschaft.

Nach der Oktoberrevolution wuchs die Sammlung durch Enteignungen. Heute befinden sich dort 370.000 Exponate von Bildern, Skulpturen, Grafik, Werke der Ikonografie bis zum sozialistischen Realismus. Unerwartet reichhaltig und schön waren die Werke der Maler aus dem 19.bis 20. Jh. Alle Stile vom Impressionismus bis Kubismus mit großartigen Bildern waren vertreten.

Am Abend fuhren wir unter dem Motto "Schotter raus" in ein georgisches Restaurant. Hier wurden am laufenden Band unsere Teller mit neuen Köstlichkeiten und unsere Gläser mit wohlschmeckenden Getränken gefüllt. Es war ein schöner Abschluss.

Piroschka

 

Der 8. Tag: Sonntag, 18. Oktober 2009: Es geht wieder nach Hause; Abschiednehmen

Der Abreisetag startet mit einer frohen Botschaft: Die Tasche von Petruschka und Stefan ist wieder da! Ende gut, alles gut?

Doch wo bleibt der Flughafen-Transfer? Vor einer halben Stunde wollte der Bus doch bereits da sein. Als manch einer in Gedanken das Flugzeug schon ohne die „Halbe-Halbe-Reisegruppe" starten sah, traf der Bus endlich ein. Das Gepäck wurde verstaut, die Mannschaft nahm Platz und ein weiteres Mal wurde durchgezählt. Diesmal war das Team wieder vollzählig. „Habt ihr alle eure Pässe?" rief ein Schutzengel aus der Menge.

Ach du Schrecken, die Pässe. Daggi und Jacques stürmten zur Rezeption und kehrten wenig später mit den ach so wichtigen Dokumenten und ein paar hochroten Ohren zurück. Nicht auszudenken, wenn dieses Versäumnis erst am Flughafen entdeckt worden wäre.

Wenn man von dem recht aufwendigen Sicherheitscheck am Petersburger Flughafen einmal absieht, verlief die Heimreise per Aeroflot und Plumin - Shuttle -Service völlig reibungslos.

Zum Abschied in Walle war man sich einig. - Eine gelungene Exkursion, gespickt mit einer Fülle von kulturellen Eindrücken, - eine echte Bereicherung.

Dagmar Stecker

 

Bildunterschriften Museen

 

Jacob Jordaens, Der Bohnenkönig (1593-1678) * Antonio Canova, Die drei Grazien (1812-1816) * Frans Snyders, Fischladen (1620) * Rubens: Tarquinius und Lukretia * Pieter Paul Rubens, Bacchus (1638-1640) * Tizian: Danae (1553-1554) * Rembrandt Harmensz van Rijn, Die Heimkehr des verlorenen Sohnes (1668-1669) * Claude Monet, Ein Heuschober * Paul Césanne, Der Berg Sainte-Victoire (1896-1898) * Gauguin, Tahitische Pastorale (1893) * Paul Gauguin, Frau mit Frucht (1893) * Vincent Van Gogh, Arena at Arles (1888) * Henri Matisse, Stilleben (1901) * Henri Matisse, Der Tanz (1910) * H. Matisse: Portrait of Lydia Delectorskaya * André Derain, Houses by the Water * Pablo Picasso, Two Sisters (1902) * Pablo Picasso, Dryad (1908) * Pablo Picasso, Vase * Kees van Dongen, Lucie und ihr Partner * Leonardo da Vinci, Madonna and Child (1490-1491) * Leonardo da Vinci, Madonna mit dem Kinde (1490-1491) * Tiziano Vecello, Die büßende Maria Magdalena (ca.1560) * Rafaello Santi, Madonna and Child * Franciso de Goya, Actress Antonia Zarate (1810-1811) * Renoir, Beutekunst * Monet, Beutekunst * Monet, Beutekunst * Lucius Verus (ca. 160] * Bildnis einer Unbekannten (Syrien, 2. Jh) * Sarkophag "Achilles auf Skyros" (2.Jh. Attika) * Aphrodite -Taurische Venus (3.Jh.v.Chr.) * Antonio Canova, Amor und Psyche (1793) * Pietro Stagi, Pygmalion and Galatea (ca. 1814) * Della Robbia Christi Geburt (Majolika) (15.Jh.) * Michelangelo, Knauernder Knabe * A. Rodin, Ewiger Fühling (nach 1884) * Anthonis van Dyke, Bildnis von Hofdamen (1630) * Anthonis van Dyke, Bildnis Philadephia und Elisabeth Worton (1640) * Pieter Paul Rubens, Perseus und Andromeda (1622)

Entgegen dem Urzeiger: Ilja Repin, Die Saporoger Kosaken schreiben einen Brief an den türkischen Sultan (1891) * Ivan Ajvazovskij, Marinemaler, (ca. 1850) * Pyotr Konchalovsky, Südfrankreich. Cassis * Ilja Repin, Wolgatreidler (1870-1873) * Konstantin Makovsky, Julija Makovyky * Nikolai Feshin, Unbekannet Person * Boris Kustodiev, René Nothaft

Isaaks Kathedrale: Blick in die Trommel der Hauptkuppel; "Auferstehung Christi" (Francois Lemaire); Madonnenbild
Auf der Kuppel der Isaaks Kathedrale
Blick von der Isaaks-Kathedrale auf die Admiralität und die Neva
Auf dem Weg zur Isaaks-Kathedrale

Ikonen im Novgoroder-Kunsthistorisches Museum, u.a. Skt. Nicholas (1294); The Gospel Scenes;
Magdeburger Bronzetür an der Sophien-Kathedrale
Denkmal 1000 Jahre Rußland (Michail Mikeschin) (1862) mit Sophien-Kathedrale

 

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